Die katholische Missionsgemeinde Golßen 1817-1864
Der hier, für die katholische Seelsorge der Missionsgemeinde Golßen betrachtete Zeitraum umfasst die Jahre 1817 (Aufhebung des Zistersienserklosters Neuzelle) bis 1864 (Errichtung der Pfarrei St. Trinitatis in Lübben), also in etwa die Zugehörigkeit der Niederlausitz zum Königreich Preußen bis zur Reichsgründung (1871).
Zur Vorgeschichte: Mit der Reformation erlosch das katholische Leben in der Niederlausitz bis auf das Kloster Neuzelle (1268-1817) vollständig. Seit dem 18. Jahrhundert zogen die ersten Katholiken wieder in die nun Niederlausitzer Diaspora und wurden hier geduldet, heute würde man sagen toleriert. Die wenigen Mitglieder betreuten die Geistlichen von Neuzelle. Allerdings blieben die Parochialakte (Taufe, Trauung, Begräbnis) den örtlichen, also den evangelischen Pfarrherren vorbehalten. Deshalb finden sich durchaus Einträge von Katholiken in den protestantischen Kirchenbüchern, was für Golßen mehrfach belegt ist.
Die nach der katholischen Kirchenlehre sieben Sakramente wie u.a. Beichte, Kommunion oder letzte Ölung konnten nur katholische Geistliche spenden, die dazu, soweit möglich, in der Regel einmal jährlich aus dem Kloster Neuzelle anreisten. Diese geistlichen Handlungen durften aber nur in Privaträumen, also halb illegal, durchgeführt werden. Über die gespendeten Sakramente wurde Buch geführt und das Ergebnis eines jeden Jahres an den Heiligen Stuhl im Vatikan in Rom übermittelt, weil es keine bischöfliche Instanz in der Niederlausitz gab. Deshalb konnte z.B. das Sakrament der Firmung überhaupt nicht gespendet werden. Alles in allem waren das große Beschränkungen für das katholische Leben in der Niederlausitz, obwohl der Neuzeller Abt einen Sitz in der Prälatenkurie des Landtages der Ständerepublik des Markgraftums Niederlausitz bis zum Übergang an Preußen 1815 besaß. 1821 schließlich wurde das heutige Bistumsgebiet Görlitz dem riesigen Erzbistum Breslau zugewiesen.
Mitte des 19. Jahrhunderts befanden sich unter den Golßener städtischen Einwohnern 16 erwachsene Katholiken. Pfarrer Florian Birnbach von Neuzelle (1833-1873) schrieb 1842:
„Die Missionsgemeinde zu Golßen zählt an die 40-50 Kommunikanten. Dankbar müssen wir es anerkennen, daß uns hier die edle Gräfin Fontana auf Befürwortung der Gräfin v. Stollberg jedesmal ein Lokale im Schloss zur Abhaltung des Gottesdienstes mit gnädiger Bereitwilligkeit überläßt.“
Die Zahl der Kommunionsempfänger setzte sich neben Golßener Gläubigen vor allem aus Katholiken aus der Baruther Glashütte (Arbeiter aus Böhmen und Schlesien) zusammen, für die noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts sogar eigene Messfeiern in der Gaststätte der Hütte abgehalten wurden.
Nun zur großzügigen Schlossherrin: Luise Sophia Gräfin Fontana Marquise Cravanzana (lt. Grabstein 1786-1870 Golßen) bekam 1809/10 durch Erbvergleich die Schlossbegüterung Golßen von ihrer in Berlin verstorbenen Mutter Amalie Sofie Henriette (geb. Gräfin von Redern 1753-1810), die mit dem königlich-sardischen Botschafter am Spanischen Hof in Madrid, Philipp Nepomuk Graf Fontana Cravanzana (+1793), einem Italiener, verheiratet war. Das Ehepaar hatte noch eine ältere (überlebende) Tochter , Marie Therese Camilla, die seit 1808 mit dem sächsischen Kammerherrn Friedrich Erdmann Gottlob von Globig (+ nach 1845) aus Dresden vermählt war. Beide Töchter waren evangelisch erzogen worden. Die unverehelichte jüngere Tochter als Besitzerin von Golßen (bis 1846) ließ von 1810-1820 die evangelische Stadtpfarrkirche und den Turm 1845 errichten. Sie kam sicher durch ihren Vater auch mit der katholischen Kirche in Berührung, der aber schon in ihrem 7. Lebensjahr verstarb. Graf Fontana Cravanzana wird Golßen nur über seinen Schwiegervater Sigismund Ehrenreich Graf von Redern (1719-1889), der Golßen von 1771 bis 1881 besessen hatte, gekannt haben. Obwohl seine Frau Golßen seit 1790 innehatte, zog sie erst 1797 dort hin. 1781 trat Redern die Golßener Güter an seine vier Kinder Wilhelm Jacob Moritz (1750-1816), Sigismund Ehrenreich Johann (1761-1841), „unsere“ Amalie Sofie Henriette (1753-1810) und die noch minderjährige Sofie Charlotte Eleonore (1765-1842) ab. Die Jüngste wurde dann 1790 die Ehefrau des königlich-dänischen Gesandten in Berlin, Friedrich Leopold Graf zu Stolberg (1750-1819). Beide traten gemeinsam am 1.6.1800 in der Hauskapelle der Fürstin Gallitzin (1748-1806) zu Münster zum Katholizismus über. Das ist offensichtlich ein Grund für die Unterstützung der Missionsgemeinde zu Golßen. Dieser neue Aspekt bereichert die Geschichte des Schlosses zu Golßen.
Nachsatz: Aus der katholischen Pfarrei St. Trinitatis Lübben, errichtet am 17.9.1864 (Kirchenbau schon 1861-1863), entstand u.a. 1933 die Pfarrkuratie „Christus König“, seit 1947 Lokalie, Luckau und 1957 die Pfarrkuratie „St. Maria Regina Rosarii“ in Golßen. Letztere wurde nach 50 Jahren zum 31.12.2006 aufgehoben und die Gemeinde zum 1.1.2007 nach Luckau eingepfarrt. Die Golßener katholische Kirche entstand aus einer 1946 erworbenen Betonbaracke, die als Kirche umgebaut, am 5.7.1964 konsekriert wurde und heute eine Filialkirche ist. Das Pfarrhaus wurde 1969-1971 errichtet. Eigene Kirchenbücher umfassen den Zeitraum von 1945 bis 2006.
Dr. Michael Bock
Quellen: Bistumsarchiv Görlitz. Winfried Töpler: Die Verwaltung des lausitzischen Bistumsteils des Erzbistums Breslau bis zur Errichtung des Bistums Görlitz. In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte, Bd. 67, Sonderdruck, Aschendorff 2009, S. 239-440. ADB 37, 1893. Weiterführende Literatur beim Verfasser.
Abb.: Schloss Golßen. Dunker, Bd. 8, 1865/66 (im Besitz des Autors)